Die RUAG, ein Unternehmen der besonderen Art

Bis anhin war ich der vollsten Überzeugung, dass die Rheintalautobahn wohl die schönste Nationalstrasse der Schweiz, wenn nicht sogar von Europa ist. Doch als ich die Kantonsgrenze in der Innerschweiz überschritten hatte und unter dem Konterfei des Stiers auf gelben Hintergrund in die Achsenstrasse fuhr, wurde ich eines Besseren belehrt. Ein Anblick für Götter, kristallklares Wasser, der Vierwaldstättersee mit grünen Teint, als ob man sich am indischen Ozean befindet und eine Bergwelt die seines gleichen sucht. Vom Anblick inspiriert, plagten mich auch Gewissensbisse. In meiner Funktion als Service-Techniker, weißt mein Portfolio an Kunden auch Klienten aus der Rüstungsindustrie in der BRD auf, die ich besuchen darf. Bei jedem Termin Vorort wird einem dort der Reisepass abgenommen, die Personalien festgehalten, Handykameras abgeklebt und man kann sich nur mit einem „Begleitschutz“ auf dem Areal bewegen. Da ich als Österreicher die Mentalität der Schweizer in den letzten 13 Jahren kennenlernen durfte, war mir klar, dass die Eidgenossen bei allem einen Zahn schärfer drauf sind. Was wird mir wohl wiederfahren? Werde ich der Spionage für den österreichischen Geheimdienst bezichtig? Muss ich nach dem Auffliegen meiner Nationalität ein paar Tage bei Wasser und Brot im Gefängnis verweilen, oder werde ich gar wie meine habsburgerischen Vorfahren im Vierwaldstättersee ertränkt? Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…..In James-Bond-Manier fuhr ich auf den Hof der RUAG und stellte mich vor….meine Name ist Egle….Mario Egle….und mir wurde ohne grosses Nachfragen Einlass gewährt. Auf dem Vorplatz befanden sich bereits 30 Mitglieder der IGO, unter anderem auch der Ehrenpräsident und sämtliche Kollegen aus der gesamten Galvanobranche. Das Interesse war sehr gross, da man ja nicht alle Tage das Privileg hat, einen solchen interessanten Betrieb zu besichtigen.

Nach der Begrüssung durch den CEO Herr Bruno Gisler und Herr Matter wurden die Besucher in 3 Gruppen aufgeteilt. Auf Grund der Grösse des Areals, wurden wir mit VW-Bussen durch das Gelände geführt.

Die Führung wurde in drei Sparten eingeteilt:

  • Die Oberflächentechnik
  • Recycling von Rohstoffen
  • Gross & Kleinteilefertigung

Die Oberflächentechnik:

In diesem Bereich ist unser langjähriges Mitglied Adrian Gasser tätig. Voller Stolz zeigte er uns die Produktionsstätten, die sehr sauber und vorbildlich geführt wurden. Die Vielfalt an Bearbeitungsmöglichkeiten ist beachtlich und bemerkenswert.

Es gibt folgende Behandlungssysteme:

  • Sandstrahlen
  • Gleitbeschichtungen mit Teflon
  • Verseifen
  • Zinkphosphatieren (Dick- und Dünnschicht)
  • Brünieren
  • KTL
  • Lackieren
  • Anodisieren
  • Verzinken und Passivieren
  • Verzinnen

In der Galvanik arbeiten bis zu 60 Personen. Die Anlagen sind vollautomatisch und auf dem technisch neuesten Stand. Wenn man bedenkt, dass vor 20 Jahren ausschließlich für die Rüstung produziert wurde, zeigt sich nun das Unternehmen in einer ganz anderen Form. Es wurden zusätzliche Standbeine geschaffen, wodurch in der heutigen Zeit nur noch 30% für die Rüstung und die restlichen 70% für die Privatwirtschaft gearbeitet wird. Wir konnten Fahrradteile; Skibindungen und andere Gebrauchsgegenstände des Alltags bewundern. Auch in Punkto Umwelt ist der Betrieb sehr vorbildlich. Die Galvanik ist frei von Cr-6-Verbindungen; Cadmium und Cyaniden und beim Passivieren der verzinkten Teile werden ausschliesslich Dickschichtpassivierungen in Kombination von Top-Coats aufgetragen. Alles in allem war die Galvanik hoch interessant und sehr sehenswert.

Die Recyclinganlage:

Vor ca. 15 Jahren als die Waffenexporte nachließen zeigte sich das Unternehmen sehr innovativ. Um die Arbeitsplätze am Standort zu sichern, wurde das Recyceln von Rohstoffen ins Leben gerufen. RUAG nahm somit eine Vorreiterolle im Bezug auf die Rückgewinnung von „Wertstoffen“ ein. In der Recycling-Abteilung arbeiten bis zu 100 Personen. In Altdorf werden Gegenstände des alltäglichen Bedarfs entsorgt (Elektrogeräte; Kühlschränke; Computer; Staubsauger usw.) und als angenehmer Nebeneffekt, werden somit Rohstoffe zurück gewonnen.

Die Anlieferung erfolgt mittels LKW, im Anschluss werden die Teile sortiert und den Rohstoffen zugeteilt.

Zitat des RUAG-Mitarbeiters:“ Je besser getrennt wird, um so besser ist die Rückgewinnung“.

Hierbei werden Batterien, Platinen separiert, Holz und Glas getrennt und bei motorisierten Gegenständen der Kraftstoff entnommen und unter hochmodernen Absauganlagen das FCKW aus den Kühlschränken entfernt.

Im Anschluss geht es über ein Förderband in einen Schredder, wobei mit Hilfe von rotierenden Ketten (600 U/min.) das Material zerkleinert wird. Dies kann dahingehend begründet werden, dass kleinere Materialen besser getrennt werden können. Das separieren der Teile erfolgt über mehrere Instanzen:

  • Sieb
  • Magnetismus
  • Luft
  • Röntgenmethode

Zum Schluss werden die Rohstoffe nach der Trennung zugeordnet. Man erhält Granulate in Form von Aluminium; Kupfer; Kunststoffe usw. Der Restabfall wird an die Müllverbrennung weitergeleitet.

Ein pikantes Detail der gesamten Anlage war die Sicherheitsentsorgung. Hier werden versiegelte Kisten mit hochgeheimen Unterlagen im Beisein eines Sicherheits-Angestellten einer Bank; Versicherung oder Treuhand angeliefert. Im Anschluss werden sämtliche Unterlagen wie Papiere, Harddisks im wahrsten Sinnes des Wortes unkenntlich gemacht und zerstört.

Die RUAG ist ein Bestandteil eines Konsortiums für die Verwertung, welches weltweit agiert. Man nimmt somit direkten Einfluss auf die Herstellung und Produktion von Gegenständen (bessere Trennung). Innovation und Idee gehen Hand in Hand. Die Verbraucher senden dem Unternehmen die Materialien (Recycling) und die Rohstoffe gehen über RUAG zurück zum Hersteller. Ein Kreislauf der jedem „Grünen“ vor Freude das Herz höher schlagen lässt.

Gross- und Kleinteilfertigung:

Die Besichtigung dieser Produktionsstätte, meine Galvanikerkollegen mögen es mir verzeihen, war für mich der Höhenpunkt des gesamten Tages. Im Werk konnte man Maschinen betrachten die ich nie zu vor in einer solchen Größe gesehen habe. Als ich in Schwäbisch Gmünd meinen Techniker gemacht habe, hatte ich unter anderem auch das Privileg mit CNC-Maschinen zu arbeiten. Der prägnante Unterschied waren die Dimensionen der Anlagen. Im Vergleich, sprich Verhältnis, ist eine herkömmliche CNC-Maschine mit einem Fahrrad und die Gegebenheiten in der Fabrikation Vorort, mit einem 40 Tonner Lastwagen zu vergleichen. Transport-Kräne die bis zu 63 Tonnen heben können, platzieren Bauteile für die Windkraftenergie oder für den Maschinenbau zur Bearbeitung in die dafür vorgesehen Anlagen. Riesige Metallblöcke werden mit grosser und genauer Präzision gebohrt, gefräst und im Anschluss bei RUAG zusammen gebaut. Hierbei werden Materialien wie Aluminium; Stahlguss und Titan bearbeitet. Während des Rundgangs konnten wir ein Werkstück begutachten, welches 5 Monate Programmierzeit in Anspruch genommen hat. Wie bereits erwähnt, handelt es sich hierbei um Hochpräzisionsteile die bis zu CHF 30.000,– Verschleisskosten (Bohrer; Fräser) generieren. In dieser Abteilung arbeiten bis zu 125 Mitarbeiter und Qualität wird hier sehr gross geschrieben. Die Fa. RUAG hebt sich hier von den europäischen Mitbewerbern durch den hohen Standard ganz klar ab.

Für mich war die Gegebenheit höchst interessant. Wer wie ich anfangs gedacht hatte, es handelt sich hier um einen „staatsnahen“ Rüstungsbetrieb der „nur“ Patronenhülsen produziert wurde eines besseren belehrt. Hightech und Innovation sind all gegenwärtig und haben bestimmt alle Teilnehmer fasziniert.

Nach der einzigartigen Führung wurden wir zum Abschluss bei schönem Wetter zu einem Apéro eingeladen. Der Tag neigte sich dem Ende zu und sorgte im Zuge des Erlebten für viel Gesprächsstoff bei den Anwesenden. An dieser Stelle bedanke ich mich recht herzlich bei den Herren Gisler und Matter, welche die Besichtigung organisierten und ganz besonders bei unserem Mitglied Adrian Gasser der den Event ermöglicht hat.

Auf der wildromantischen Rückfahrt Richtung Heimat stellte ich fest, dass die Achsenstrasse blau ausgeschildert ist. Es handelt sich somit doch nicht um eine Autobahn, was mich und sämtliche Mitglieder aus dem Rheintal doch sehr erleichtert.

Mario Egle