Besuch der Abwasserreinigungsanlage der Stadtwerke Winterthur vom 30. Juni 2017

Idyllisch zwischen Waldrand und Töss gelegen, befindet sich die ARA-Winterthur, welche wir am 30. Juni besuchen durften.

Pünktlich um 14:00 h empfing uns Roger Müller, welcher seit 10 Jahren als Betriebsleiter für das Unternehmen tätig ist. Herr Müller ist was die Galvanotechnik betrifft kein unbeschriebenes Blatt, zuvor war er viele Jahre für die SR-Technics tätig.

Mit dem Zitat „Die Abwasserreinigung ist das kostengünstigste Medikament“ begann unsere Reise in die Welt des Wassers. Winterthur bezieht seit ca. 100 Jahren das Trinkwasser aus einer Quelle im Tösstal. Im ganzen Ballungsraum werden in etwa 140.000 Menschen damit versorgt. Das Recyceln des Abwassers hat einen hygienischen Aspekt. Die Menschen werden dadurch vor Krankheiten geschützt.

Ein paar Zahlen:

  • Der Betrieb generiert einen Umsatz von CHF 10 – 12 Mio per Anno
  • Die Einnahmen erfolgen durch den Bezug und der Entsorgung des Wassers (Kunden), sowie Steuergelder
  • Der Bezug und die Entsorgung von 1000 Liter Wasser kostet den Endverbraucher circa CHF 3,5 – 4,0
  • Pro Sekunde gelangen ca. 600 Liter Abwasser in die ARA Winterthur
  • Im Kalenderjahr werden ca. 20 Mio m3 Abwasser gereinigt
  • Die Zeit zur Entgiftung des Wassers nimmt in etwa 8 – 24h in Anspruch
  • Der Stromverbrauch liegt zwischen 75.000 – 100.000 CHF pro Monat. Dies entspricht in etwa 2000 Haushalte

Die 7 Stufen der Abwasserreinigung:

Mechanische Reinigung: Die ARA ist eigentlich dafür ausgelegt, Wasser vom täglichen Bedarf wie der Körperreinigung, WC usw. zu klären. Fremdstoffe wie z.B. Hygienetücher oder Lebensmittel stören den Ablauf.

In erster Instanz wird das Abwasser grob filtriert. Ein Gitter mit einem Rasterabstand von 2 cm befreit das Wasser von unerwünschten Gegenständen. Die Feststoffe werden im Anschluss ausgepresst und der Verbrennungsanlage zur Energiegewinnung zugeführt.

Vorbelüfteter Fett und Sandfang: Danach werden die Wässer einer Lufteinblasung ausgesetzt, dabei verringert sich die Dichte, wodurch sich Feststoffe wie Sand absetzen können. Parallel dazu werden vorhandene Tenside oxidiert und das dadurch freigesetzte Öl (der Emulsion) treibt nach oben und kann somit aus dem System entfernt werden.

Öle und Fette sind die grössten Herausforderungen in der ARA. Sie behindern die Arbeit der Bakterien (späterer Arbeitsschritt).

Vorklärung: In einem runden Bottich rinnt nun das Wasser von innen nach aussen, wie bei einem Schokoladebrunnen. Durch den Faktor Zeit, trennen sich feine Partikel mit einer Korngrösse < 45 Mikrometer vom Wasser. Die Fremdkörper werden von unten angesaugt und die „klare“ Phase schwimmt oben auf und geht zur nächsten Reinigungsstufe.

Faulung: Der abgesaugte Feststoff wird nun in sehr grosse Reaktoren gepumpt. Danach auf 70 °C erhitzt und sterilisiert. Folgend wird das Ganze auf 36 °C abgekühlt und mit 2 verschiedenen Bakterien-Sorten versetzt.

Es kommt zur Gärung wobei Biogas frei gesetzt wird. Das Gasgemisch besteht zu 60-65 % aus Methan, der Rest ist Kohlendioxid.

Mit dem Biogas wird ein Generator zur Stromerzeugung betrieben. Die daraus gewonnene Energie wird zur Gänze in der ARA verwendet.

Der entstandene Schlamm wird getrocknet und im Anschluss in der Verbrennungsanlage verbrannt.

Pikantes Detail: Die Asche verfügt über einen sehr hohen Phosphoranteil und wird für die Zukunft (Rohstoffmangel) gelagert.

Hauptreinigung des Wassers: Das Wasser ist nun „frei“ von Feststoffen, jedoch noch hoch konzentriert mit Kohlenstoffverbindungen, Harnstoffe, Ammoniumverbindungen und Phosphaten.

Wie in der Galvanotechnik werden die Wässer mit einer Eisenverbindung versetzt, in diesem Fall Eisen-II-Sulphat, um eine bessere Fällung zu erlangen.

Danach kommen die Bakterien, welche über die organischen Verunreinigungen herfallen.

Wie in einer Durchlaufanalge rinnt das Wasser weiter und wird nun mit Hilfe von einem ausgeklügelten System via Luftsauerstoff oxidiert. Das Becken erstreckt sich über ca. 50 Meter, überall sind „Seeperlen“ zu entdecken. Herr Müller teilte uns mit, dass 60 % vom Energiebedarf der gesamten Anlage für die Generatoren zur Lufteinblasung benötigt werden.

Während der gesamten „Badreise“ wird stets der Gehalt an Sauerstoff via Sonden gemessen.

Bakterien Sedimentation: In der vorletzten Station erfährt das Wasser eine Ruhephase, in welcher die Bakterien sedimentiert werden. Die Milliarden von Mitarbeitern werden separiert und später wieder in den Kreislauf eingesetzt.

Das Überstandswasser fliesst weiter…

Sandfiltration: Last but not least wird filtriert. In einem Kiesfilter gefüllt mit Quarzsand und Bimsstein in verschiedenen Korngrössen, erhält das Wasser seinen letzten Feinschliff.

Nach erfolgter Laborkontrolle fliesst das geklärte Wasser in die Töss.

Wie auch in der Galvanotechnik stehen die ARA`s umwelttechnisch stets vor neuen Herausforderungen. Mikroverunreinigungen wie Pestizide, Medikamente oder Hormone, welche bereits in kleinen Mengen Auswirkungen auf die Erbsubstanz haben können, beschäftigen die Gesellschaft.

Als Präventionsmassnahme wird mittelfristig die Installation einer A-Kohle-Filtration in Betracht gezogen.

Nach zwei Stunden war die sehr interessante Führung zu Ende. Herr Müller entliess uns wieder in die Galvanowelt oder besser gesagt in das Weingut Nadine Saxer, wo noch das eine oder andere Glas Wein degustiert wurde.

Mario Egle